Kulturentwicklung und Soziokratie unterstützen Paradigmenwechsel: Wirkfaktor 7

Kategorie: Blog

Fortsetzung des Artikels Tipping Point »Verantwortung in der Führung«. Wenn Unternehmen gesellschaftliche und planetare Verantwortung übernehmen, werden sie zu einem lebendigen Teil des Lebensnetzwerks – Wirkfaktor 7 von 7: 

Gesellschaftliche und planetare Verantwortung wahrnehmen

Verantwortung für das Ganze

Das Bedürfnis nach Sinn wird sich in der Arbeitswelt immer stärker manifestieren (Laloux 2020). Das zeigt auch die Studie „Seeking New Leadership“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Zusammenarbeit mit Accenture (WEF 2020). Im Rahmen dieser Studie wurden mehr als 20.000 Personen befragt, darunter CEOs, aufstrebende Führungskräfte, Mitarbeiter, Verbraucher und weitere Stakeholdergruppen.

Nachhaltigkeit ist jungen Führungspersonen wichtig

Die Studie verdeutlicht, dass sich verantwortungsvolle Führung dringend mit ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen befassen wird müssen. Das kann als Auftrag gewertet werden, im Sinne der Agenda 2030 einen unternehmerischen Beitrag zu den UN-Entwicklungszielen (SDGs – Sustaninable Development Goals) zu leisten und so planetare Verantwortung zu übernehmen. Der Shareholder Value als einzig relevantes Messkriterium für unternehmerischen Erfolg gehört damit der Vergangenheit an und wird vom Stakeholder Value abgelöst. 61 Prozent der befragten aufstrebenden Führungskräfte sind der Meinung, dass Geschäftsmodelle nur verfolgt werden sollten, wenn sie neben Wachstum auch einen gesellschaftlichen Mehrwert bringen. Sendungsbewusstsein (Mission und Purpose eines Unternehmens) und die Einbeziehung von Stakeholdern spielen dabei eine immer bedeutendere Rolle.

Lebendige Organisation als Teil eines kognitiven und ökologischen Netzwerks

Letzten Endes geht es darum, ein kognitives, intuitives und kulturelles Netz des Lebens aufzubauen, das für uns als Menschen förderlich ist. Fritjof Capra hat das bereits 2002 in seinem Buch „Verborgene Zusammenhänge“ formuliert. Konventionellen Unternehmen, die er mit Maschinen vergleicht, und von außen gesteuert werden müssen, stellt er lebendige Unternehmen gegenüber, die organisch in ihr Ökonetzwerk eingebettet sind und autopoietische Entfaltungskraft haben.

Reflexion kreiert Sinnzusammenhang in Organisationen

Die Lebendigkeit und Entwicklungsfähigkeit von Organisationen bedingt, dass es systemische Rückkopplungsschleifen (Kommunikationswege und Reflexionsfähigkeit) für die Herstellung des globalen Gleichgewichts gibt. Darüber sind sie eingewoben in das Netz des Lebens. Über kulturelle Dynamik erwächst in diesen offenen und kreativen Systemen ein implizites Wissen mit spezifischem Sinnzusammenhang.

Nur ein lebendiges System ist ein autopoietisches System.

(Fritjof Capra)

Solche Organisationen sind lebendig – sie stellen den Menschen und dessen kulturelle Errungenschaften ins Zentrum. Das steht in krassem Gegensatz zum harten globalen Kapitalismus, der die Menschlichkeit ignoriert und ökologisch und sozial schädlich ist.

Paradigmenwechsel hin zu ganzheitlichem Wirtschaften mit planetarer Verantwortung und Stakeholder Value nach dem INU-Modell für Integral-Nachhaltige Unternehmensentwicklung

Abb. 1: Paradigmenwechsel hin zu gesellschaftlicher und planetarer Verantwortung (Quelle: INU-Modell, Schallhart 2020)

Lebensnetz erhalten

Capra zeigt, dass das Phänomen des Lebens eine Eigenschaft eines ökologischen Systems als Ganzes ist. Eine nachhaltige Gemeinschaft muss mit den Organisationsprinzipien vereinbar sein, welche die Natur entwickelt hat, um das Lebensnetz zu erhalten. Das bedeutet, dass die der Natur innewohnenden Fähigkeiten, das Leben zu erhalten, nicht beeinträchtigt werden dürfen (Capra 2002). Es braucht also Organisationen, die gut in das System des Lebens eingebunden sind.

Verantwortungssphäre ausweiten

Die Antwort von Upstalsboom, zu dessen Kerngeschäft das Reisen und luxuriöse Wellness-Hotels gehören, ist das „Upleven“, ein Hotel am Rande der Welt. Dort gibt es keinen Wellness-, sondern einen Meditationsbereich. Statt der Flucht in die Sinne geht es dort um die Suche nach dem Sinn (Janssen 2020a). Damit geht Upstalsboom seinen Weg konsequent weiter und stellt einmal mehr den Menschen und seine Sinnsuche in den Mittelpunkt seines Tuns.

Welchen Unterschied wird es machen, wenn immer mehr Menschen bei sich selbst ankommen und gut an ihre Vision und Mission angebunden sind? Und wenn diese Menschen nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern im Rahmen ihres Einflussbereichs Verantwortung für das gesamte Netzwerk des Lebens übernehmen?

Soziokratie unterstützt Verantwortung für das Ganze

Um ein System langfristig überlebensfähig zu halten, sind die Erneuerungsfähigkeit von innen und die Anpassungsfähigkeit nach außen entscheidend. Das eine geht nicht ohne das andere.

Oft prägt die Vision der Gründer ein Unternehmen. Über Generationen hinweg muss diese Vision immer wieder neu gedacht werden. Isoliert im kleinen Kämmerchen wird das kaum gelingen, dazu braucht es den Dialog mit dem Umfeld, in das die Organisation eingebunden ist.

Autopoietische Entwicklung durch Entfaltung von innen und Anbindung nach außen

Für die Rückkopplung einer Organisation mit der Außenwelt bietet die Soziokratie das Konstrukt des Topkreises an, in den externe Experten eingeladen werden. Der Topkreis kann als Seismograph für die Geschehnisse in dieser VUCA-Welt fungieren, um neue gesetzliche oder technologische Entwicklungen vorwegzunehmen, Branchenstandards mitzugestalten oder sich mit Multi-Stakeholder-Initiativen zu vernetzen. Hier kann der gesamte gesellschaftliche und planetare Rahmen gesichtet und reflektiert werden, um daraus Rückschlüsse für die unternehmerische Zukunft zu ziehen.

Soziokratischer Topkreis als Impulsgeber für Entwicklung

Der Topkreis kann mit jenen Experten besetzt werden, die das Unternehmen dabei unterstützen, gut im globalen Netzwerk eingebunden zu sein. So können beispielsweise alte und neue Geschäftsmodelle anhand von Nachhaltigkeitskriterien laut Agenda 2030 auf Zukunftsfähigkeit geprüft werden, damit das Unternehmen einen förderlichen Beitrag zum Wohle unseres Planeten liefern kann.

Gesellschaftliiche und planetare Verantwortung kann in der Soziokratie über den Topkreis sowie die Rückkopplung unternehmensintern und im Eco-System übernommen werden.

Abb. 2: Soziokratie unterstützt gesellschaftliche und planetare Verantwortung (Quelle: INU-Model, Schallhart 2020; Grafik: Marion Vrijburg)

Im Topkreis können richtungsweisende Entscheidungen gefällt werden, die radikale Änderungen im Unternehmen nach sich ziehen und es erfordern, sich auf unerforschtes und unsicheres Terrain einzulassen. In einer soziokratischen Organisation sind die Menschen gut darauf vorbereitet, Neuland zu betreten und Schritt für Schritt an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten.

Rahmen für generative Dynamik

Gepaart mit einer Unternehmenskultur, die sich auf Verantwortungsethik stützt, wird Soziokratie zum Wandelinstrument. Über einen integrierten Purpose, dem alle Mitarbeitenden gut folgen können, und über gute Verbindungen innerhalb und außerhalb der Organisation kann die ganze generative Dynamik des Unternehmens freigespielt werden. So fördert Soziokratie den evolutionären Prozess hin zu lebendigen und ganzheitlich verantwortlichen Unternehmen.

 

Quellen

Janssen, Bodo (2020a): „Unsere Kultur rettet uns den Arsch“, Interview mit newmanagement.haufe.de, https://newmanagement.haufe.de/strategie/upstalsboom-ceo-bodo-janssen-ueber-tourismus-und-corona

Janssen, Bodo (2020b): Stark in stürmischen Zeiten, Lern4Life Webinar mit Bodo Janssen, youtube.com/watch?v=HyBLjMH8-D4

Schallhart, Annemarie (2011): Integrale nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung, Norderstedt: www.grin.com

Strauch, Barbara & Reijmer, Annewiek (2018): SOZIOKRATIE. Kreisstrukturen als Organisationsprinzip zur Stärkung der Mitverantwortung des Einzelnen. München: Vahlen-Verlag.

 

Zum Weiterlesen und Vertiefen

8-teilige Artikelserie: So können Unternehmensleitung und Führungspersonen unterstützt werden, den bevorstehenden Paradigmenwechsel als Antwort auf COVID-19 und Klimakrise in ihrem Unternehmen zu manifestieren:

7 Wirkfaktoren zeigen in 7 weiteren Blogartikeln wie eine Transformation von einer mechanistisch-hierarchischen Organisation hin zu einer lebendig-holarchischen gelingen kann:

Aspekt Verantwortung als Person

Aspekt Verantwortung für das Unternehmen

Aspekt Verantwortung für das Ganze

Anhand des Tourismusunternehmens Upstalsboom wird auf persönliche und kulturelle Aspekte eingegangen. Über das Instrument der Soziokratie wird erläutert, wie der Paradigmenwechsel methodisch unterstützt werden kann.

 

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